Da muss man doch was machen!

  • Roland Vossebrecker
    © Oxfam | Rainer Keuenhof

Fünf Jahre, mehr als 100 Benefizkonzerte für Oxfam und fast 70.000 Euro Spenden: Roland Vossebrecker nutzt sein Talent als Komponist und Pianist dafür, Geld für Oxfams Arbeit zu sammeln. Wie kam es dazu? Was treibt ihn an? In einem Interview spricht er übers Komponieren, das Klima und den Konsum, über Verantwortungsgefühl, Verdrängung und Verzicht.

Im Internet findet man überwiegend ältere Fotos und bis vor Kurzem keine Konzertausschnitte z.B. auf YouTube von dir. Es entsteht der Eindruck, dass du sehr bescheiden bist. Wie verträgt sich das mit deinen Auftritten und damit, bei Konzerten im Rampenlicht zu stehen?

Wenn ich auftrete, geht es nicht um mich, sondern um die Musik – die von mir und die von meinen Lieblingskomponisten, die ich sehr gern vertrete. Dieses Mal Johann Sebastian Bach.
Meine Musik war bisher nicht im Internet zu finden, weil ich skeptisch bin, wie sie dort wahrgenommen wird. Im Netz hat es oft was von Zappen – und so versteht man Musik nicht. Ich wünsche mir, dass Musik von vorn bis hinten angehört wird. Jetzt habe ich mich dazu entschieden, YouTube als Plattform zu nutzen, weil die Live-Auftritte durch Corona dieses Mal nicht umsetzbar waren.

Neben der Musik steht das Benefizprojekt Oxfam für mich im Vordergrund. Damit versuche ich mit meinen begrenzten Mitteln ein kleines bisschen mehr Gerechtigkeit zu schaffen.
Ich möchte mich nicht hervorheben. Ich versuche, professionell zu komponieren. Als Pianist bin ich aber nicht professionell, so ein großes Repertoire habe ich nicht. Aber ich bin ein ganz vorzüglicher Hobby-Pianist, wie ich immer wieder sage (lacht).

Du hast neben den Benefizkonzerten für Oxfam noch viele andere Projekte, wie die Aufklärungsarbeit zum Holocaust. Wie kam es dazu, sich so vielschichtig und aktiv einzubringen?

Ich habe zu unterschiedlichen Themen viel gelesen. Wenn man sich kritisch damit beschäftigt, wie es in der Welt zugeht, will man sich einmischen: mit einer guten Portion Hilflosigkeit in den letzten Jahren, aber gewillt, etwas zu machen.

Roland Vossebrecker
© Oxfam | Rainer Keuenhof

Vor 15, 16 Jahren habe ich begonnen, Aufklärungsarbeit zum Thema Holocaust zu machen, z.B. mit Bildungsreisen und aktuell mit Online-Vorlesungen. Davor habe ich mich immer vor diesem unangenehmen Thema gedrückt. Beim Belesen habe ich gelernt, dass man nicht immer in der Vergangenheit bleiben kann. Man muss sich in der Gegenwart umschauen, wo die Opfer von heute sind. Sich da einzubringen, ist wichtig.

Ist dir so die Idee für die Benefizkonzerte für Oxfam gekommen?

Startschuss war das Erdbeben in Nepal 2015. Ich dachte mir: Da muss man doch was machen! Zusammen mit einem Freund habe ich in sechs Tagen ein Konzert in Köln auf die Beine gestellt und Werbung per Mail gemacht. Es kamen am Ende 100 Leute zu dem Konzert und wir haben fast 2.500 Euro Spenden zusammen bekommen.
Da wurde mir klar, so muss das Konzept sein. Mittlerweile habe ich mehr als 100 Benefizkonzerte für Oxfam gegeben und rund 70.000 Euro Spenden sind dabei zusammenbekommen.

Bestärkt in dem Wunsch, mich zu engagieren, hat mich das Buch „Leben retten“ von dem australischen Philosophen Peter Singer – ein flammender Aufruf, die Not der Welt mit Spenden zu lindern. Aber noch vorher war da der Gedanke: Welcher Hilfsorganisation schenke ich mein Vertrauen? Es gibt ja wirklich viele gute Hilfsorganisationen.
Die großartige Arbeit von Oxfam auf den Gebieten der nachhaltigen Entwicklungshilfe, der Katastrophenhilfe und der politischen Kampagnen für eine gerechte Welt ohne Hunger und Armut hat mich überzeugt. Gerade auch mit den politischen Initiativen von Oxfam kann ich mich gut identifizieren.

Fast 70.000 Euro hast du für Oxfams Arbeit mit den Konzerten in Eigenregie gesammelt und du hast sogar noch zusätzliche Spendenaktionen ins Leben gerufen. Wie fühlt sich das an? Macht dich das stolz?

Ich freue mich, dass meine Familie und viele Freunde mich unterstützen und mitziehen, weil sie das, was ich für Oxfam tue, schätzen. Wenn Leute nach einem Konzert zu mir kommen und mich loben, ist das auch toll. Aber es ist kein Opfergang, was ich da mache. Ich spiele das, was ich gerne spiele und tue das, was ich liebe: eine privilegierte Situation also!

Roland Vossebrecker
© Oxfam | Rainer Keuenhof

Ein Journalist fragte mich mal, ob es nicht eine einsame Angelegenheit sei. Das ist es gar nicht. Während der Tour bin ich bei Freunden und Bekannten untergebracht, was überhaupt nicht einsam ist. Auch Auftritte haben nichts mit Einsamkeit gemein, weil man dabei unter Menschen ist. Beim Komponieren und Üben ist man eher allein.

Wie bist du zur klassischen Musik gekommen?

Über meine Eltern bin ich zur Musik gekommen. Mit sechs Jahren hatte ich Klavierunterricht. Mein Vater war Ingenieur, aber Musikliebhaber. Von ihm habe ich gelernt, was man mit Musik machen kann: nämlich anhören, intensiv anhören. Er saß oft im Sessel und verfolgte die Kompositionen während des Hörens in der Partitur.

Roland Vossebrecker
© Oxfam | Rainer Keuenhof

Als Schulkind war mir klar, dass ich Musiker werden will. Komponieren ist mir dabei das Wichtigste, wenn es auch manchmal schwer ist und mich an den Rand der Verzweiflung treibt.
Meine neue A-Moll-Sonatine ist ein prima Stück geworden, finde ich, aber der Arbeitsprozess war die Hölle. Man benötigt zum Komponieren erstmal überhaupt einen brauchbaren Einfall und dann kommt mühsame Arbeit. Vielleicht liegt es manchmal an der Idee selbst, dass man in eine Kompositionskrise gerät, vielleicht auch daran, immer um die hundertprozentige Richtigkeit eines jeden Tons zu ringen … Ich wüsste es gern (lacht).
Aber ich würde auch im nächsten Leben Musiker werden wollen.

Wie kam dazu, private Hauskonzerte zu spielen? Und wie funktioniert das?

Mit Familie und Freunden habe ich schon vor vielen Jahren Hauskonzerte gemacht. Jetzt ist das oft bei Freunden, die ein gutes Piano oder einen Flügel haben, der Fall. Musikalisch läuft es ab wie bei meinen anderen Konzerten auch. Und bei einem Essen nach dem Konzert tauscht man sich dann in Wohnzimmerstimmung aus.

Ich bin auch offen für Hauskonzerte bei anderen Leuten. Interessierte können sich ganz einfach bei mir melden. Voraussetzung ist ein gutes Piano oder ein Flügel. Das Instrument sollte die hohe Klavier-Literatur auch tragen und der Musik gewachsen sein. Das muss man dann im Einzelfall bewerten.

In der aktuellen Situation ist es wegen Corona schwierig, Hauskonzerte zu organisieren, weil die Leute sich verständlicherweise nicht 20, 25 Menschen ins Wohnzimmer stopfen wollen und es während des Konzertes schwierig ist zu lüften. Verständlicherweise können solche Konzerte im Moment nicht zustande kommen. Ich hoffe natürlich, dass das bald wieder möglich ist. Mein Projekt will ich in den kommenden Jahren ja weiterhin fortgesetzen.

Wie beeinflusst Corona dein Schaffen?

Die Tragik liegt in der Sache: Die Corona-Krise erschwert die Lage vieler noch mehr und man kann vielleicht nicht helfen, obwohl es gerade jetzt ganz besonders wichtig ist. Darum habe ich bis zum Schluss gehofft, die Konzert-Pläne aufrecht erhalten zu können. Als klar war, dass das nicht zu verantworten ist, habe ich nach neuen Wegen gesucht. So ist es zu meinem Benefizprojekt auf YouTube gekommen.

Was, von dem was Oxfam macht, liegt dir besonders am Herzen?

Oxfam hat viele wichtige Hilfsprojekte. Die Corona-Krise ist katastrophal, die Klima-Krise aber eine noch größere Herausforderung. Wegen der aktuellen Corona-Katastrophe will ich mich bei den kommenden Benefizkonzerten nicht auf ein einzelnes Oxfam-Hilfsprojekt festlegen, aber sonst hätte ich als Spenden-Thema wieder Klima genommen.

Ich halte die Klima-Krise für sehr bedrohlich und die Zukunft wird sich auch danach entscheiden, welche Menschen sich durchsetzen: diejenigen, die gewissenlos shoppen und auf Konsum aus sind oder diejenigen, die sich der Klima-Bewegung, wie Fridays for Future, anschließen und auch ihr eigenes Verhalten ändern. Das ist eine politische, aber auch eine gesellschaftliche Frage.

Roland Vossebrecker
© Oxfam | Rainer Keuenhof

Ich habe das schon in einem Vortrag Anfang des Jahres thematisiert, weil es mir wichtig ist: Kapitalismus und Konsum im Zusammenhang mit dem Klima. Bei der Betrachtung sollte man bei sich selbst ansetzen und sein Verhalten kritisch unter die Lupe nehmen – die Gefahr der Selbstrechtfertigung ist da riesengroß. Jeder kennt das von sich selbst.

Wichtig war mir bei diesem Vortrag, meinen Hörerinnen und Hörern mit auf den Weg zu geben, Eigenverantwortung und Verdrängung nicht zu unterschätzen und dass auf die kritische Betrachtung eine Konsequenz folgen sollte – und die muss nicht immer mit Verzicht zu tun haben, sondern macht das Leben oft besser.

Worauf verzichtest du in deinem Leben?

Ich lebe aus vielen guten Gründen ohne Smartphone. Seit über zehn Jahren haben wir kein Auto mehr – eine der besten Entscheidungen unseres Lebens! Und Flugreisen mache ich auch nicht mehr.

Roland Vossebrecker
© Oxfam | Rainer Keuenhof

Tatsächlich konsumiere ich sehr wenig. Aber das hat wenig mit Verzichten zu tun, weil ich das alles ja gar nicht brauche. Ich hab ja schon alles: meinen Flügel, meine Musik, meine Bücher und natürlich meine Familie und Freunde.
Außerdem verzichte ich aufs Fleischessen. Das fällt mir schon schwerer, aber aus Klima-Gründen zwinge ich mich zur Konsequenz.